Markus Fuß, Leiter des politischen Verbindungsbüros in der ver.di-Bundesverwaltung, besuchte auf Einladung verschiedener albanischer Gewerkschaften und der Friedrich-
Ebert-Stiftung Albanien. In der Landeshauptstadt Tirana informierte er im Rahmen eines Kamingesprächs Vertreter:innen junger demokratischer Gewerkschaften über Lobbyarbeit.
Von Ado Wilhelm
Markus Fuß erläuterte, wie ver.di gewerkschaftliche Lobbyarbeit umsetzt. Als Beispiel nannte er die Zeit vor Wahlen, wenn Parteien ihre Wahlprogramme erarbeiten. Dann sei das Ziel, Einfluss zu nehmen, um gewerkschaftliche Forderungen und Ziele dort einfließen zu lassen.
Bereits im Vorfeld der Veranstaltung sei großes Interesse an dem Thema zu verspüren gewesen, betonte Genci Lamllari. Er ist bei der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Albanien zuständig für die gewerkschaftlichen Themen. Mit Ado Wilhelm (ver.di) organisiert und koordiniert er die gemeinsamen, von der FES geförderten Veranstaltungen. Er berichtete von vielen Anfragen und Bitten nach Teilnahmemöglichkeiten. Neben der Schwestergewerkschaft von ver.di, der SPPT (Gewerkschaft für Post und Telekommunikation), nahmen auch Vertreter:innen der Gewerkschaft der Ölarbeiter, aus dem Bildungssektor und dem Gesundheitswesen teil.
Renato Mucaj, Präsident der SPPT, betonte wie wichtig solche Themen und Tipps für seine Organisation sind. Renato hat vor Kurzem am ver.di-Kongress in Berlin teilgenommen und selbst erlebt, wie sich die Vertreter:innen der verschiedenen Parteien auf dem Kongress um Kontakte zu den Gewerkschafter:innen bemühten.
Baustein Lobbyarbeit
Markus Fuß betonte, wie wichtig starke Gewerkschaften seien, um die Interessen der Mitglieder optimal vertreten zu können. Lobbyarbeit ist dabei ein wichtiger Baustein aus dem gewerkschaftlichen Instrumentenkasten. Kontakte zu Parteien, Verbänden, Politiker:innen, anderen Gewerkschaften und nicht zuletzt dem Dachverband in Deutschland, dem DGB, gehören zu seinem Alltagsgeschäft. In Albanien ist dies ein sehr sensibles Thema. Die bestehenden albanischen Dachverbände stehen in dem Ruf, nach wie vor in der Vergangenheit zu leben und mehr die eigenen Interessen zu sehen und nicht als arbeitenden Menschen.
Bündnisse schmieden
Bündnisarbeit und Zusammenarbeit mit anderen Gewerkschaften sind ein Thema, bei dem es in Albanien noch enormen Handlungsbedarf gibt. Dies wurde immer wieder von den albanischen Gewerkschafter:innen betont. Gewerkschaftsarbeit war in der Zeit der Diktatur, von 1944 bis 1990 Teil des Systems. Unter diesem Ruf leiden die Gewerkschaften noch heute. Kontakte zur Regierung und politischen Entscheidungsträgern gibt es kaum oder wenn, dann auf sehr oberflächliche Art. Auch hier betonte Markus Fuß, welchen Stellenwert Lobbyarbeit hat, um die Interessen der Beschäftigten durchzusetzen. Am Schluss des Kamingesprächs bestand Einvernehmen unter den verschiedenen Gewerkschaften, die Zusammenarbeit miteinander zu stärken und Themen zu identifizieren, wo man gemeinsam Lobbyarbeit angehen will. Dabei gehen die Themen über das Gewerkschaftsspezifische hinaus. So bieten sich in Albanien unter anderem Themen an wie Bildungs- und Rentenpolitik, Verbesserung der Arbeits- und Lebensbedingungen für die jungen Menschen, die in Scharen ihr Heimatland verlassen, um woanders Perspektiven zu suchen. Deutschland ist hier ein sehr begehrtes Ziel. Viele junge Albanerinnen und Albaner leben bereits in Deutschland und versuchen, sich hier eine Existenz aufzubauen. Ein Wunsch der Teilnehmer:innen lautet, einmal einen Austausch zwischen albanischen und deutschen Politiker:innen zu organisieren. Markus sagte seine Unterstützung zu, sollte das konkreter werden. Eine gelungene Veranstaltung – mit hoffentlich erfolgreicher Nachwirkung.