Zeiten vor dem 17. Lebensjahr sind ruhegehaltfähig

23.12.2023

Dienstzeiten vor dem 17. Lebensjahr müssen bei der Versorgung von ­Beamt:innen des Bundes als ruhe­gehaltfähig berücksichtigt werden. Eine frühere Regelung im Beamtenversorgungsgesetz (BeamtVG) sah das für Versorgungsfälle bis zum 10. Januar 2017 nicht vor. Die Nichtberücksichtigung verstößt gegen europäisches Recht, hat das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) mit Urteil vom 20. April 2023 entschieden. 

Von Anita Schätzle

Das Beamtenversorgungsgesetz sei unionsrechtskonform auszulegen, eine Beschränkung in der Anerkennung ruhegehaltfähiger Dienstzeiten dürfe es nicht geben. Der § 6 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BeamtVG sei unionsrechtswidrig und dürfe nicht angewandt werden. Es liege eine unmittelbare Diskriminierung wegen des Alters nach Artikel 6 Absatz 1 und 2 der Richt­linie (RL) 2000/78/EG des Rates der Europäischen Union (EU) vor. Bedeutungsvoll ist das Urteil des BVerwG für alle Versorgungsberechtigten, die vom 3. Dezember 2006 bis zum 11. Juli 2017 zur ruhe gesetzt wurden.

Das Urteil des BVerwG (Az. 2 C 11.22) ist neben dem tiefgreifenden Einfluss in das teils rigide Beamtenrecht wegweisend in zweierlei Hinsicht. Zum einen, dass die bis zum 10. Januar 2017 geltende Gesetzesvorgabe europarechtswidrig ist, dass Zeiten vor dem vollendeten 17. Lebensjahr auch dann nicht als ruhegehaltfähig berücksichtigt werden, wenn diese bereits in einem Beamtenverhältnis verbracht worden waren. 

Das heißt, alle in Frage kommenden Zeiten, sofern sie grundsätzlich als ruhegehaltfähig zu berücksichtigen wären, zum Beispiel Zeiten im Angestellten- oder Arbeiterverhältnis im öffentlichen Dienst, eben auch solche vor Vollendung des 17. Lebensjahres, sind als ruhegehaltfähig anzuerkennen. Zum anderen ist das Urteil bedeutend, weil ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Versorgungsbescheides eingeräumt wird und bei festgestelltem Anspruch dieser korrigiert werden muss.  

Anspruch prüfen

Nicht betroffen sind diejenigen mit einem Höchstruhegehaltsatz von 71,75 Prozent. Ihre Ansprüche nachprüfen sollten vor allem Pensionär:innen des einfachen und des mittleren Dienstes. Aber auch Versorgungsberechtigte des gehobenen oder höheren Dienstes, vor allem dann, wenn sie im Wege eines Aufstiegsverfahrens aufgestiegen sind. Auch Teilzeitbeschäftigte und Beamt:innen, die vorzeitig ­wegen Dienstunfähigkeit in Ruhestand gingen oder im Wege des Engagierten Ruhestandes (ER), könnten Ansprüche haben. Positiv kann das Urteil zum Beispiel auch bei der Berechnung der Hinterbliebenenversorgung und bei der Ruhensregelung nach § 55 Abs. 2 BeamtVG (Zusammentreffen von Pension und Rente) wirken. 

Antragsfrist 29. Februar 2024

Der Anspruch auf Nachzahlung muss per Antrag eingefordert werden. Die von der Umsetzung des BVerwG-Urteils betrof­fenen Versorgungsberechtigten und Hinterbliebenen erhalten eine schriftliche Information und das Antragsformular. Betroffene können aktiv mithelfen, indem sie Nachweise beibringen, denn es liegen zum Teil keine Unterlagen mehr vor über Zeiten vor dem 17. Lebensjahr. Sie wurden ja nach altem Recht nicht anerkannt und nur wenige dieser alten Personal­akten liegen elektronisch vor.  

Nachzahlungen ab 1. Mai 2023

Etwaige Nachzahlungen aus neu festgesetzten Versorgungsbescheiden erfolgen erst ab 1. Mai 2023. Die verwaltungstechnische Umsetzung der BVerwG-­Entscheidung wird bei der Bearbeitungszeit einige Geduld erfordern. Es wird eine hohe Anzahl von Anträgen erwartet. Festgestellte Ansprüche gehen im Sterbefall auf die Hinterbliebenen oder Erben über.