Erneut haben Kolleg:innen von ver.di die gewerkschaftliche Arbeit der albanischen Gewerkschaft für Post und Telekommunikation (SPPT) unterstützt. Die SPPT ist eine Schwestergewerkschaft von ver.di in Albanien für den Post- und Telekommunikationssektor. Sie ist seit einiger Zeit auch die für die Callcenter-Branche zuständige Gewerkschaft. In der albanischen Hauptstadt Tirana fand ein zweitägiger Workshop zur Ausbildung von gewerkschaftlichen Multiplikatoren statt, der vom Büro der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Tirana organisiert wurde.
Von Ado Wilhelm
Den fachlichen Input lieferten die Expert:innen von ver.di. Stine Klapper, Leiterin des FES-Büros Tirana, und Genci Lamllari, Programmkoordinator und für Unterstützung der albanischen Gewerkschaft zuständig, sehen in ihrer Arbeit einen wichtigen Beitrag zur Weiterentwicklung der jungen, demokratischen Gewerkschaften im Land. Steff Schulze, ver.di-Gewerkschaftssekretärin aus Nürnberg, und Stephan Heggemann, ehemals Betriebsgruppenvorsitzender und Betriebsrat aus dem Kundenservice der Telekom, reisten Anfang Mai nach Tirana. Die 18 Teilnehmer:innen kamen aus den beiden Unternehmen One und Teleperformance. In One sind die beiden Telekommunikationsunternehmen ALBtelecom, das ehemalige staatliche Telekommunikationsunternehmen, gegründet 1992 und die ehemalige T-Mobile Albania, einst Tochterunternehmen der Telekom aus Deutschland, fusioniert. Teleperformance ist ein weltweit agierender Konzern, der Kundenservice, technische Unterstützung und weitere Dienstleistungen anbietet. In Albanien unterhält der Konzern zwei Standorte: in Durres, Hafenstadt im Westen von Albanien und in der Hauptstadt Tirana am Markt. Zum allgemeinen Erstaunen waren unter den Teilnehmer:innen auch drei Personen, die – wie sich bei der Vorstellungsrunde herausstellte – bisher nicht Mitglied der Gewerkschaft waren. Sie traten bis zum Ende des Workshops bei.
In dem Workshop ging es darum, die Bedeutung von Multiplikatoren für die gewerkschaftliche Arbeit herauszuarbeiten und die Kolleginnen und Kollegen mit Tipps, Tricks und Beispielen aus Deutschland fit für die Alltagsarbeit zu machen. Auch die Bedeutung und Funktion von Vertrauensleutearbeit und Betriebsräten wurde dargestellt. In Albanien gibt es keine Betriebsräte und auch Vertrauensleute sind weitestgehend unbekannt. Zu dem Thema Betriebsräte findet seit geraumer Zeit eine teils sehr kontroverse Diskussion unter den albanischen Gewerkschaften statt. Einige stehen den Überlegungen, so etwas auch in Albanien zu installieren, auf der Grundlage der deutschen und schwedischen Betriebsratsmodelle sehr positiv gegenüber, andere wiederum sehen so etwas eher als Konkurrenz zu den bestehen Gewerkschaften im Land. Da es in Albanien auch kein „Betriebsratsgesetz“ gibt, was erst noch entwickelt werden muss, ist hier sicher noch viel an Informations- und Überzeugungsarbeit zu leisten. Wie Multiplikatoren die Gewerkschaftsarbeit in den Betrieben unterstützen und nach vorne bringen können, war das Kernthema des Workshops. Nachdem die Expert:innen von ver.di diverse Ideen vortrugen und Beispiele aus der Praxis darstellten, waren die Teilnehmer:innen gefordert, eigene Ideen zu entwickeln. Mit enormem Elan ging es direkt zur Sache. Um das Ganze auch verbindlich zu machen, wurden auch sofort Verabredungen getroffen, wie es nach dem Workshop weitergehen soll. Ein wichtiger Punkt ist das Erstellen eines Betriebsatlas, aus dem hervorgeht, wie der Betrieb oder das Unternehmen organisiert und strukturiert ist. Wo arbeitet wer und was? Diese Informationen sind wichtig, wenn es darum geht, einmal im Rahmen von Auseinandersetzungen mit dem Arbeitgeber Gegenmaßnahmen zu organisieren. Ein Thema, was dann auch sehr ausgiebig diskutiert wurde, war die Mitgliederwerbung und welche Materialien dafür benötigt werden. Auch dazu gab es viele Ideen und konkrete Verabredungen, das auch unmittelbar anzugehen. Es war ein durchweg erfolgreiches Wochenende, bei dem auch noch drei neue Mitglieder für die Gewerkschaft gewonnen wurden.
Programmplanung 2023/2024
Fotoausstellung
32 Jahre Gewerkschaft SPPT
Vor 32 Jahren fanden die Staatsgründung „Republik Albanien“ mit den ersten freien Parlamentswahlen und die Gründung der SPPT statt. Die Ausstellung zeigte mit Fotos, Auszügen aus Protokollen und Dokumentationen den Aufbau und die Entwicklung der Telekommunikationsindustrie und der Gewerkschaft SPPT in dem „neuen“ Albanien. Viele Zeitzeugen waren der Einladung zu der Feier gefolgt. Ado Wilhelm überbrachte im Rahmen eines Grußwortes, die Glückwünsche von ver.di zu dem Jubiläum. Das, was in den 32 Jahren von der SPPT gewerkschaftlich geleistet worden sei und auch das, was die Beschäftigten der Telekommunikationsindustrie in den Betrieben geleistet haben, sei schon sehr erstaunlich und vorbildlich. Er erwähnte schmunzelnd, dass wenn in Deutschland über die Qualität des Mobilfunks und über „Funklöcher“ geschimpft würde, werde häufig beispielhaft gesagt, „selbst in Albanien sei die Netzqualität besser“.
Er betonte in seinem Grußwort, wie wichtig weltweit internationale Zusammenarbeit der Gewerkschaften sei, um stärker und durchsetzungsfähiger zu werden. Renato Mucaj, Präsident der SPPT, bedankte sich in seiner Rede zur Eröffnung der Veranstaltung besonders bei der FES und ver.di für die Unterstützung, die die SPPT seit Jahren erhalte. Er betonte, dies sei enorm hilfreich und wichtig für die Weiterentwicklung seiner Gewerkschaft und der albanischen Gewerkschaften allgemein. Ein gelungener Abend.