Montenegro

136 Tage Streik ­erfolgreich beendet­

17.05.2023

Die Gewerkschaft Sindikat Telekoma CRNE Gore (Gewerkschaft der Beschäftigten der Telekom Montenegros) konnte den Dauerkonflikt mit dem Unternehmen erfolgreich beenden. Länger als vier Monate wurde die Cmogorski Telekom bestreikt. Das Unternehmen ist eine Tochtergesellschaft der Hrvatski Telekom in Kroatien, die wiederum ein Tochterunternehmen der Deutschen Telekom ist. 480 Beschäftigte arbeiten in dem Unternehmen in Montenegro. Fast 200 Gewerkschaftsmitglieder waren 136 Tage im Dauerstreik. Jetzt gab es eine Einigung. 

Von Ado Wilhelm

Seit 2008 hatten die Beschäftigten keine Tariferhöhung mehr erhalten. Die Infla­tion in Montenegro hat seitdem die Rekordmarke von 48 Prozent erreicht. Es ging den Streikenden aber nicht nur ums Geld. Das Unternehmen hat einseitig Regelungen und Verträge gebrochen und Leistungen eingestellt. Das Unternehmen ist in Montenegro die Nummer zwei am Markt und extrem erfolgreich. Geld ist also da, auch wenn die Unternehmensleitung den wirtschaftlichen Erfolg, wie bei Tarifauseinandersetzungen üblich, „klein rechnet“. Die Gewerkschaft ist eine Schwestergewerkschaft von ver.di, gemeinsam unter dem Dach von UNI Global UNION (UNI), dem Dachverband der Dienstleistungsgewerkschaften weltweit.

Neben dem Komplex Tariferhöhungen, gab es weitere streitige Sachverhalte. Dem Unternehmen wurde vorgeworfen, gegen bestehende Gesetze, gegen nationales Arbeitsrecht, Verträge und gemeinsame Vereinbarungen verstoßen zu haben. Zudem seien einseitig vertraglich geschützte Regelungen ausgesetzt worden.

Druck und Repressalien

Die Gewerkschaft hatte sich öffentlich darüber beklagt, dass sie und die Streikenden ständig Druck, Drohungen und Repressalien ausgesetzt worden seien. Beide Seiten haben sich auch mit einer Reihe von Anzeigen vor der Arbeitsinspektion, die vergleichbar mit einem Arbeitsgericht in Deutschland ist, überzogen. Respekt, Fairness und Anstand sind die Verhaltensnormen, die ein Unternehmen im Umgang mit seinen Beschäftigten auszeichnet und nicht Überordnung und Unterordnung. Die Angriffe gegen die Gewerkschaft und deren Mitglieder sind Management­methoden aus dem vergangenen Jahrhundert. Auch der Einsatz von Streikbrechern, so der Vorwurf der Gewerkschaft, stelle einen klaren Rechtsverstoß dar.

Internationale Solidarität

ver.di unterstützte die Streikenden. Unter anderem wurde auf das Telekom-Management in Deutschland eingewirkt, um das örtliche Management anzuhalten faire Verhandlungen zu führen, um den Konflikt rasch zu beenden. ver.di-Bundesfachbereichsleiter Christoph Schmitz führte diverse Gespräche mit dem Management der DTAG. Er machte deutlich, dass auch Ansehen und Reputation der Muttergesellschaft DTAG auf dem Spiel stünden.

Der globale Gewerkschaftsbund UNI, der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB), OTU (Union der europäischen Gewerkschaften im Telekom Konzern), die ver.di-Bundesfachgruppenkonferenz IKT und die ver.di-Bundesfachbereichskonferenz sagten den Streikenden in Montenegro ihre Solidarität und Unterstützung zu. Sie appellierten an das Management und schrieben an Dritan Abazovic´   Ministerpräsident von Montenegro. Dabei forderten sie, die Gesetze einzuhalten und auf faire Verhandlungen auf Augenhöhe hinzuwirken.

Besuch in Montenegro

Ado Wilhelm und Achim Fischer, Beauftragte der ver.di-Bundesfachgruppe IKT für internationale Fragen, besuchten im März die Streikenden in Podgorica, der Landeshauptstadt Montenegros und gleichzeitig Sitz des Unternehmens. Der Präsident der Gewerkschaft, Zeljko Buric, zeigte sich sehr dankbar für die Unterstützung durch ver.di. Gespräche mit dem Vorstand der Gewerkschaft, dem Streikkomitee und der Besuch einer Streikversammlung standen auf der Agenda.

Gespräch mit dem CEO

Bei ihrem Besuch führten die beiden ver.di-Kollegen auch ein Gespräch mit ­Stjepan Udoviic´   Generaldirektor und CEO des Unternehmens. Dabei wurde deutlich, dass die Positionen der beiden Parteien weit auseinanderliegen. Es wurde darüber diskutiert, wie die beiden „Seiten“ kon­struktiv aufeinander zugehen könnten. 

Nach dem Gespräch mit dem CEO stand ein weiterer wichtiger Termin an. Der deutsche Botschafter Peter Felten hatte Interesse daran, von ver.di zu erfahren, wie denn die Situation zu bewerten sei. Die beiden ver.di-Vertreter berichteten dem Botschafter über die ver.di-Bemühungen in Deutschland und über die bisher mit der Gewerkschaft und dem Dachverband der Gewerkschaften (Union of Free Trade Unions of Montenegro) geführten Gespräche. Auch die Eindrücke aus dem Gespräch mit dem CEO fanden sein Interesse. Einige Tage zuvor hatte der Botschafter ebenfalls den CEO getroffen.

Weitere Unterstützung zugesagt

Auch nachdem nun der Konflikt beendet ist, wurde mit den Kolleg:innen vereinbart, sie weiter zu unterstützen. In einem Workshop soll die Tarifauseinandersetzung aufgearbeitet und Schlüsse für die Zukunft gezogen werden.

 

Der Tarifvertrag im Detail

Nach intensiven Verhandlungen, die Anfang März begannen und nach 136 Tagen Dauerstreik, einigten sich die Parteien auf  Beibehaltung und Verbesserung der tarifvertraglichen Leistungen. Damit wurde der beste Tarifvertrag für die Beschäftigten in der Privat­industrie von Montenegro erreicht:

  • Der Monatslohn der Beschäftigten von Crnogorski Telekom steigt um 15 Prozent ab 1. April 2023, um 2,5  Prozent ab 1. Januar 2024 und noch einmal um 2,5 Prozent ab Januar  2025.
  • Das Wintergeld (erhöhte Zahlungen wegen höherer Lebenshaltungs­kosten in den Wintermonaten) bleibt in der bisherigen Form im Tarifvertrag bestehen.
  • Prämien für das Erreichen persön­licher und kollektiver Ziele werden in den Tarifvertrag eingeführt. Das neue Leistungssystem wird ab 2024 angewendet, nachdem die Syste­matik der Zielefestlegung und Leistungsbewertung vertraglich geregelt wurde.
  • Die vom Arbeitgeber bisher gewährte Zahlung für die freiwillige private Krankenversicherung gilt weiterhin.
  • Die Zahlungen für Sommer- und Winterurlaubszuschüsse, Jubiläumsprämien, Abfindungen und anderen Regelungen wurden ebenfalls deutlich verbessert. 

Alle Regelungen gelten fünf Jahre, bis 31. Dezember 2027.

Die Mitarbeiter von Crnogorski Telekom haben damit den besten Tarif­vertrag aller Privatunternehmen in Montenegro. Das Ziel, die bestmöglichen Arbeitsbedingungen in dem Unternehmen zu schaffen, die Zufriedenheit der Mitarbeiter zu erhöhen, um damit zusätzliches Wachstum des Unternehmens zu fördern und die führende Position von Crnogorski Telekom in Montenegro erhalten und auszubauen, wurde erreicht. Das macht auch die Arbeitsplätze sicherer. AW