Report Gute Arbeit 2022

Digitale Transformation der Arbeitswelt

15.02.2023

Die ohnehin rasch voranschreitende Digitalisierung hat durch die Corona-Pandemie einen Beschleunigungsschub erfahren. Das bestätigen die Daten der Repräsentativbefragung mit dem DGB-Index Gute Arbeit 2022. Der digitale Wandel wird aber insgesamt noch nicht im Sinne Guter Arbeit gestaltet. Im Gegenteil: Oft steigen Anforderungen, Belastungen und Arbeitsintensität. Wichtiger Faktor, um die Arbeitsbedingungen zu verbessern: kollektive ­Regelungen, Einbeziehen der Beschäftigten und betriebliche Mitbestimmung. Auch das zeigen die Daten.

Von Astrid Schmidt

Die digitale Durchdringung der Arbeitswelt zeigt sich am deutlichsten bei der Verbreitung elektronischer Kommunika­tion (79 Prozent), zu der auch die Nutzung von Videokonferenzen (54 Prozent) gehört. Aber auch softwaregesteuerte Arbeitsabläufe (60 Prozent) sind für einen überwiegenden Teil der Beschäftigten Alltag. Deutlich zugenommen hat die Arbeit an einem gemeinsamen Projekt über das Internet, also im virtuellen Raum: Waren es 2016 noch 33 Prozent, die davon berichteten, so sind es 2022 schon 54 Prozent, für die das Teil der Arbeitsrealität ist.

 
Einfluss von Arbeitnehmer:innen auf die Digitalisierung ihrer Arbeit

Dichter Takt, große Arbeitsmengen

Digitalisierung ist ein Gestaltungsthema. Die Interessen von Management und Belegschaften bei der Einführung von neuen Tools und Systemen sind zumindest teilweise widersprüchlich, Digitalisierung wird vor allem auch zur Rationalisierung genutzt. So berichten 40 Prozent der Befragten von einer stärkeren Belastung durch die Einführung digitaler Arbeitsmittel und nur neun Prozent von einer Entlastung.

Arbeitsstress, also eine hohe Arbeits­intensität, bleibt eine der drängendsten Herausforderungen. 48 Prozent der befragten Beschäftigten berichten von einer Zunahme der Arbeitsmenge, 46 Prozent von mehr gleichzeitig zu bearbeitenden Aufgaben. Auch die alltäglich gewordenen Videokonferenzen sorgen für mehr Arbeit: 48 Prozent berichten von einer deutlich gestiegenen Zahl der Besprechungen, nur 26 Prozent sagen, dass sich hier nichts verändert hat. Dazu kommt, dass die „Zwischenzeiten“ wegfallen können, die durch Hin- und Rückwege entstanden – und sei es nur vom Büro in den Konferenzraum. Bei 26 Prozent der Befragten fallen die Pausen zwischen den Meetings (sehr) oft weg, nur bei 34 Prozent gibt es immer Pausen zwischen zwei Meetings. Das belastet 93 Prozent der hiervon stark Betroffenen.

Die Entscheidungsspielräume bei der Arbeit hingegen sind zumindest bei ­einem Viertel der digital arbeitenden Beschäftigten größer geworden – zehn Prozent berichten allerdings auch von geringeren Gestaltungsspielräumen.

 
MB

Beteiligung und Schutz?

Eine wichtige Stellschraube bei der Gestaltung ist die Beteiligung der Betroffenen, also der Beschäftigten als Expert:innen für ihre Arbeitsprozesse und Arbeitsbedingungen. Das passiert in vielen Fällen nicht oder nur sehr unzureichend. 74 Prozent der digitalisiert Arbeitenden haben gar keinen oder nur geringen Einfluss darauf, wie der eigene Arbeitsplatz durch die Digitalisierung verändert wird. Die Konsequenzen solcher Veränderungen kommen aber direkt bei den Menschen an. Die Daten zeigen, dass Ohnmachtsgefühle der Digitalisierung gegenüber mit sinkenden Einflussmöglichkeiten zunehmen.

Kollektive Regelungen verbessern die Rahmenbedingungen. So werden etwa Regelungen zum Schutz vor Überwachung und Kontrolle vom überwiegenden Teil der Befragten (81 Prozent) als wirksam eingeschätzt – wenn es solche Regelungen gibt (21 Prozent). Hier zeigt sich übrigens der positive Effekt von Betriebsräten: Gibt es einen solchen, berichten 29 Prozent von schützenden Regelungen, gibt es keinen, sind es nur 12 Prozent.

Die Ergebnisse des DGB Index Gute Arbeit zeigen, wo dringende Handlungsbedarfe bestehen – und sie zeigen auch, dass Beteiligung, betriebliche Mitbestimmung und kollek­tive Regelungen dabei helfen, die Arbeitsbedingungen zu verbessern. Die digitale Transformation führt erst dann zu guter digitaler Arbeit, wenn sie nicht nur von oben gesteuert, sondern auch von unten gestaltet wird.

 
GA