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„MEHR BEWIRKEN“

08.05.2023

Über der ersten Bundesfachgruppenkonferenz Informations- und Kommunikationstechnologie am 24. und 25. Januar 2023 stand das Motto „MEHR BEWIRKEN“. Und so wurde in den Vorträgen und Diskussionen immer wieder das „Wir“ betont, ebenso eine stärkere Einbeziehung der Mitglieder in die Entscheidungsfindung, auch in Tariffragen.

Von Ute C. Bauer

 
Florian Haggenmiller

Florian Haggenmiller, Bundesfachgruppenleiter IKT, beschrieb in seiner Rede die Situation und die zukünftigen Herausforderungen der Branche: In Deutschland arbeiten darin rund eine Million sozial­versicherungspflichtige Beschäftigte. Als Schlüsselbranche, die die digitale Infrastruktur für die gesamte Wirtschaft zur Verfügung stellt, sei sie einerseits geprägt von einigen Großkonzernen wie der Telekom. Andererseits bestehe sie aus mehr als 40 000, meist kleineren Unternehmen – die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in Betrieben mit weniger als 100 Mitarbeiter:innen. „Die Branche ist dynamisch, sie unterliegt schnellen Veränderungen und bietet viele agile Arbeitsformen.“

Neue Arbeitswelt

Die neuen Rahmenbedingungen münden in ein hohes Anforderungsniveau für die Beschäftigten – etwa durch die Entbetrieblichung der Arbeit, wenn Büroflächen abgemietet werden. Gerade für neu eingestellte Mitarbeiter:innen sei dies eine schwierige Situation. Ein großes Problem für die Gewerkschaft bestehe darin, dass Beschäftigung vor allem in Bereichen rationalisiert wird, in denen der Organisationsgrad recht hoch ist. Der Krieg in der Ukraine und die veränderte geo­politische Lage schaffen weitere Un­sicherheiten: Mit welchen Ländern kann zukünftig zusammengearbeitet werden, wie ist mit der Abhängigkeit von Huawei-Komponenten beim Netzausbau umzugehen?

ver.di setzt Schwerpunkte

Um Mitglieder zu halten oder neu zu gewinnen, müsse ver.di eine Potenzial­analyse der IT-Unternehmen durchführen. Es gelte Schwerpunkte beim Ressourceneinsatz und bei der Auswahl von Betrieben zu setzen, die für gewerkschaftliche Arbeit vielversprechend sind. „Wir brauchen mehr regionale Angebote in IT-Hotspots. Dafür entwickeln wir zielgruppenspezifische Angebote und Ansprachematerialien, auch in englischer Sprache.“ Neben den IT-Netzwerkkonferenzen sollen fachliche Austauschformate im Videoformat – etwa zur Karriere­planung oder zum gesunden digitalen Arbeiten – bestehende, vor allem aber auch potenzielle Mitglieder ansprechen. Damit ver.di zur führenden IT-Gewerkschaft wird, setze man auf schlagkräftige Werkzeuge und Standbeine: Vertretung vor Ort, Mitbestimmung, beteiligungs­orientierte Tarifarbeit, internationale Vernetzung sowie Bildungs- und Qualifizierungsangebote. „Besonders wichtig: Wir können intern hart debattieren, nach außen müssen wir geschlossen auftreten.“ Haggenmiller schloss mit einem Kafka-Zitat: „Verbringe nicht die Zeit mit der Suche nach einem Hindernis, vielleicht ist keins da.“

ver.di ist die Gewerkschaft der IKT-Branche

 
Christoph Schmitz

ver.di-Bundesfachbereichsleiter Christoph Schmitz hat bei seiner Rede auf der Bundesfachgruppenkonferenz den Anspruch von ver.di unterstrichen, die Gewerkschaft für die IKT-Branche zu sein. Er thematisierte auch die gesellschaftliche Entwicklung, ebenso wie die internationale Entwicklung.

Am ersten Konferenztag, den 24. Januar, fand parallel der Verhandlungsauftakt für die Beschäftigten im öffentlichen Dienst statt. Diese Tarifrunde sei auch für die Bundesfachgruppe IKT wichtig. Direkt sind die Beschäftigten der Bundesnetzagentur betroffen, indirekt hat ein Ergebnis im öffentlichen Dienst aber auch Strahlwirkung auf die IKT-Branche. Arbeitgeber:innen schauen bei Tarifverhandlungen ganz genau auf die Abschlüsse großer Branchen.

Kritik am DGB

Mit Blick auf die wirtschaftliche Lage im Land sagte Christoph Schmitz, es bestehe zumindest die Gefahr einer Rezession. Dabei sei festzustellen, dass Unternehmensgewinne weiter steigen und die Dividenden für die Aktionär:innen erhöht werden. Die Entgelte und Leistungen der sozialen Sicherung blieben dahinter zurück. „Deshalb halte ich es für falsch, wenn die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi in einem ihrer Weihnachtsinterviews behauptet, es ist nicht die Zeit für Kapitalismuskritik. In jeder Krise – auch diesmal – werden die Reichen immer reicher und die Erwerbs­tätigen und diejenigen, die auf Sozialleistungen angewiesen sind, zahlen die Zeche und müssen mit weniger auskommen.“ Dem müssten wir entgegenwirken. „Unser Ziel muss bleiben, Arbeitsbedingungen für unsere Kolleginnen und Kollegen, für unsere Mitglieder, zu verbessern und Realeinkommen mindestens zu sichern. Mein Verständnis von Gewerkschaft ist, dass wir Realeinkommen steigern“, betonte Christoph Schmitz.
ver.di stehe hinter den Gewerkschaften in Großbritannien, die aktuell mit einem vehementen Angriff auf das Streikrecht konfrontiert sind. „Wir sind eine internationale Branche, auch wenn wir die deutsche Gewerkschaft für die Telekom- und IT-Branche sind. Unsere Solidarität gilt den Kolleginnen und Kollegen in Großbritannien ganz genauso, wie in anderen Teilen der Welt“, sagte Christoph Schmitz.

 

Anträge und Wahlen

Wahlen beziehungsweise Nominierungen von Vertreter:innen und Delegierten für den ver.di-Bundesfachbereichsvorstand, für die Bundesfachbereichskonferenz, den Bundesfachbereichsfrauenvorstand sowie für die Tarifkommission für die Deutsche Telekom standen auf der Tagesordnung. Zu den meisten der insgesamt 29 Anträge waren im Vorfeld keine Wortmeldungen eingegangen, die Abstimmung erfolgte en bloc; die Delegierten folgten der Antragsberatungskommission jeweils mit großer Mehrheit oder einstimmig. Dass eine stärkere Einbeziehung der Mitglieder vielen Aktiven unter den Nägeln brennt, zeigte die intensive Diskussion über einen Antrag des Landesbezirks Nordrhein-Westfalen, in dem eine Weiterentwicklung der Mitglieder- und Beteiligungsorientierung gefordert wird. Besonderes Augenmerk sei dabei auf die jüngeren Kolleginnen und Kollegen zu legen. Bei ihnen bestehen die größten Potenziale zur Gewinnung und Aktivierung weiterer Mitglieder.

Resümee

„Zwei intensive Tage mit Wahlen, Beschlüssen und vereinbarten gemeinsamen Zielen“, resümierte Cornelia Parisi-Bohmholt, neu gewählte Vorsitzende der Bundesfachgruppe IKT in ihrem Schlusswort. „Es war spürbar, wie motiviert und mit wie viel Elan alle bei der Sache sind – ein schöner Start in die neue Bundesfachgruppe IKT.“ Ganz wesentlich sei es nun, in den Diskussionen verstärkt den Fokus sowohl auf das Mitglied als auch das Nicht-Mitglied zu legen, um hier Verbesserungen zu erreichen. „Wir hatten tolle Diskussionen hinsichtlich der Kommunikation. Jetzt müssten die Anregungen intern und extern umgesetzt werden.“