Die Arbeitswelt ist global – und auch ver.di organisiert sich international in der UNI Global Union. Vom 15. bis 17. April 2024 fand der Weltkongress für den IKT-Sektor in Kapstadt statt. Über 200 Gewerkschafter*innen aus den Bereichen Tech und Games, Telekommunikation und den Call- und Servicecentern diskutierten die strategische gewerkschaftspolitische Ausrichtung für die nächsten fünf Jahre, tauschten Erfahrungen aus und berieten sich zu drängenden Themen wie Künstlicher Intelligenz.
Von Astrid Schmidt und Christine Muhr
Ein Schwerpunkt für die nächsten Jahre ist die gewerkschaftliche Organisierung der Tech- und Games-Branche – IT-Dienstleistungen, Spiele-Entwickler*innen, Content Moderator*innen – sowie der Call- und Servicecenter. Angeknüpft wird an die Erfolge der letzten Jahre. Bei Google und Microsoft fand eine bis dahin beispiellose Organisierungswelle statt. 2021 wurde die Google-Allianz als transnationaler Zusammenschluss der Google-Gewerkschaften ins Leben gerufen, in Polen und Südkorea wurden neue Google-Gewerkschaften gegründet und vor allem in der Schweiz, in England und Irland viele neue Mitglieder gewonnen. Bei Microsoft konnte unter anderem die US-amerikanische Schwesterngewerkschaft CWA ein Neutralitätsabkommen mit dem Konzern abschließen und damit die gewerkschaftliche Organisierung anschieben.
Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf den globalen Gewerkschaftsallianzen. So wurde unter anderem 2022 ein globales Abkommen mit dem Unternehmen Teleperformance abgeschlossen. Das Abkommen erleichtert gewerkschaftliche Organisierung in allen Ländern, weil die Arbeitgeberseite zur Neutralität verpflichtet ist. Bei der Deutschen Telekom gibt es seit 2016 eine transnationale Gewerkschaftsallianz (One Telekom Union), die sich zurzeit allerdings auf die europäischen Länder konzentriert. Ein Austausch mit der CWA zur aktuellen Situation bei T-Mobile US fand am Rande der Konferenz statt.
Auch die Beschäftigung mit der digitalen Transformation, insbesondere mit Künstlicher Intelligenz stand auf der Agenda. Denn weltweit gilt es, die negativen Auswirkungen durch Künstliche Intelligenz auf Beschäftigte durch kollektive schützende Regelungen einzudämmen.
Erfahrungsaustausch
Auch wenn die großen Themen in den Kontinenten ähnliche sind – die Rahmenbedingungen und Alltagsrealitäten sind es nicht. Horizonterweiternde Highlights der Konferenz waren daher die Berichte aus den Branchen und Ländern.
Im Bereich Tech und Games etwa berichtete Autumn Mitchell von den ZeniMax Workers über die Arbeitsbedingungen der Spieleentwickler*innen in den USA und thematisierte das in der Games-Branche verbreitete „Crunch“: eine Form unbezahlter Überstunden, die anfallen, um ein Projekt abzuschließen – verbunden mit der Erwartungshaltung, dass die Beschäftigten sich dieser Anforderung bedingungslos unterwerfen.
Rose-Marie Diouf und Nene Koita von den senegalesischen Gewerkschaften SNTPT und SYTS berichteten von der Anwendung des globalen Abkommens über Gesundheitsschutz und Sicherheit bei dem Telekommunikationsanbieter Orange während der Corona-Pandemie. Zentrales Element der Vereinbarung: Sie ermöglicht die Mitwirkung der Beschäftigten bei der Definition der pandemiebezogenen Herausforderungen und der Gewährleistung von Sicherheitsmaßnahmen.
Die Vorsitzende der Frauensektion der UNI Afrika, Patricia Nyman, von der südafrikanischen Gewerkschaft SACCAWU, thematisierte die Gewalt, der insbesondere weibliche Beschäftigte an vielen Orten ausgesetzt sind. Belästigungen, physischen Bedrohungen oder auch das so genannte „Toxing“ – wörtlich: Vergiften (des Klimas) – können nur durch umfassende Arbeitsplatzrichtlinien und starke Maßnahmen eingedämmt werden, so die Gewerkschafterin.
Über die ver.di-Aktivitäten berichteten Christine Muhr, die auf die neuen Online-Ansprache-Formate in der Tech- und Games-Branche einging und Odysseus Chatzidis, der das KI-Manifest der Deutschen Telekom AG vorstellte, das dort zwischen Konzernbetriebsrat und Management abgeschlossen wurde.
UNI-Präsidentschaft bis 2029
Als neuer Präsident der UNI Global Union für den IKT-Sektor wurde So Soulemane, Vorsitzender der Gewerkschaft SYNATEL aus Burkina Faso gewählt. Mit Soulemane, zurzeit Präsident der UNI Afrika IKT, ist erstmals ein Vertreter des afrikanischen Kontinents Welt-Präsident.
Mehr Informationen über die UNI Global Union ICTS und die Konferenz in Kapstadt gibt es hier -> Link