Die albanische Gewerkschaft SPPT, zuständig für die Branchen Post, Telekommunikation und Callcenter, hat sich am letzten Wochenende im Februar in der albanischen Hauptstadt Tirana im Rahmen eines zweitägigen Workshops mit den anstehenden technologischen Veränderungen befasst.
Von Ado Wilhelm
Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in Albanien hilft seit vielen Jahren den Gewerkschaften im Land, sich weiterzuentwickeln. So hat die FES auch diesen Workshop organisiert und finanziert. Fachlich und inhaltlich unterstützt die ver.di-Bundesfachgruppe IKT die Workshops.
Gewerkschaften stärken
Stine Klapper, die deutsche Leiterin der FES in Albanien, und Genci Lamllari, Koordinator für gewerkschaftliche Arbeit, betonen immer wieder, wie wichtig der FES die Unterstützung der jungen, demokratischen Gewerkschaften sei. Dorothea Katharina Ritter, Gewerkschaftssekretärin der Bundesfachgruppe IKT, reiste trotz vollem Terminkalender und eigentlich freiem Wochenende mit nach Tirana, um mit ihrer Expertise zum Gelingen der Veranstaltung beizutragen. Florian Haggenmiller, Leiter der Bundesfachgruppe, stellte im Vorfeld diverse Materialien zur Verfügung, um die fachliche Vorbereitung zu unterstützen.
Gestaltungsspielräume entwickeln
Das Thema des Workshops lautete „Herausforderungen der IKT-Branche und die gewerkschaftlichen Gestaltungsräume“. Dorothea Katharina Ritter gab eingangs einen Überblick über die multiplen Herausforderungen und Gestaltungsfelder. Bewusst wurde der globale Einstieg gewählt, um daran die Situation in Albanien zu spiegeln. Beleuchtet wurden die Herausforderungen in der Branche. Daran orientierte sich dann auch die Analyse bezogen auf Albanien und die Diskussion über Lösungsansätze. Was in ein mittel- und langfristiges Arbeitsprogramm für die SPPT einfließen muss, lautete die Kernfrage nach dem Beitrag von Dorothea Katharina. Beschäftigung, technologische Entwicklung, Märkte und Geopolitik sowie Politik und Regulation waren die Hauptthemen. Bei der Betrachtung von Risiken und Bedrohungsszenarien wurden ebenso Künstliche Intelligenz (KI) und Datenschutz intensiv betrachtet. KI ist auch in Albanien ein Thema, was sehr kritisch und teils mit Angstgefühlen seitens der Beschäftigten gesehen wird.
Probleme bieten auch Chancen
Die Kernfrage für die Teilnehmenden war, was an Veränderung zu erwarten ist und was die richtigen Lösungsansätze sind, um die Beschäftigten zu schützen und auch perspektivisch an unternehmerischen Erfolgen teilhaben zu lassen. Die Strategie der SPPT ist, Risiken zu erkennen und Lösungen für die Probleme zu entwickeln. Veränderungen bieten auch Chancen, die im Interesse der Beschäftigten genutzt werden müssen. Ein weiterer Schwerpunkt war die Weiterentwicklung der SPPT. Stärkerwerden ist ein Muss, hat sich der Gewerkschaftsvorstand schon seit Jahren auf seine Fahnen geschrieben und konsequent verfolgt. Mehr Mitglieder, mehr Stärke, so die einfache Formel von Renato Mucaj, dem Präsidenten der SPPT.
Standortvorteil miese Bedingungen
Die SPPT ist ebenfalls für die Callcenter-Branche zuständig. Sie sieht dringenden Handlungsbedarf, auch in dem Feld stärker zu werden. In Albanien gibt es eine große Callcenter-Branche. Rund 40 000 Beschäftigte sind dort tätig. Viele Unternehmen aus dem Ausland haben sich in Albanien niedergelassen. Der Markt ist für sie attraktiv durch die geringe Bezahlung der Beschäftigten, bisher schwache Gewerkschaften und Schutzrechte, die diese Bezeichnung nicht verdienen. Der albanische Ministerpräsident Edi Rama hat ganz offen damit für die Ansiedlung ausländischer Unternehmen geworben. Daraus folgt für die SPPT ein großer gewerkschaftlicher Handlungsbedarf.
Vertrauen gewinnen
Allerdings ist Gewerkschaftsarbeit in Albanien nicht so einfach. Nach wie vor haben albanische Gewerkschaften einen schlechten Ruf. Dies stammt noch aus der Zeit von Enver Hoxha, dem ehemaligen kommunistischen Diktator Albaniens. Das zu verändern, ist eine große Aufgabe und Herausforderung für die albanischen Gewerkschaften. Hier ist der Ansatz, mit guter Arbeit und konstruktiven Lösungsansätzen die Bedingungen für die Beschäftigten zu verbessern und damit auch die Werbetrommel zu rühren. Dabei geht es nicht nur um Bezahlung. Dennoch besteht bei einem Durchschnittslohn von circa 400 Euro monatlich enormer Handlungsbedarf und das Entwicklungspotenzial ist vorhanden.
Stärke aufbauen
Einig waren sich die Teilnehmenden, dass die SPPT stärker werden muss, um als Akteur in den Betrieben und der Politik an Einfluss zu gewinnen. Für die Teilnehmenden des Workshops ist es zudem eine wichtige Frage, wie die SPPT stärker werden kann. Die Information, dass ver.di im vergangenen Jahr rund 190 000 neue Mitglieder gewinnen konnte, wurde mit Staunen zur Kenntnis genommen und als Ansporn verstanden. Mehr Mitglieder, mehr Aktive, mehr Durchsetzungskraft und Stärke gewinnen, war das zweite Hauptthema der Veranstaltung. Auch die Frage, wie die SPPT mehr Einfluss im Staat und auf die Entwicklung sowie auf Entscheidungen gewinnen kann, wurde sehr hitzig diskutiert. Zum Ende des Workshops wurden Vorschläge für den Vorstand zur Erstellung eines Zukunftskonzeptes erarbeitet. Es bestand Einvernehmen, die Mitglieder und Beschäftigten bei der Findung der Themen und den Fragen, die als vorrangig anzusehen sind, stärker zu beteiligen. Was die Mitglieder wollen, muss auch für die SPPT ganz oben auf der Agenda stehen.
Wie es weitergeht
Renato Mucaj versprach, dass der Vorstand und die zuständigen Gremien sich nun zügig daranmachen, die Themen und Lösungsoptionen zu beraten und in ein Aktionsprogramm umzusetzen. FES und ver.di sagten zu, den Entwicklungsprozess der albanischen Gewerkschaften weiter zu unterstützen. Die nächste Veranstaltung ist schon in Vorbereitung. Im Mai findet ein Workshop zum Thema Fragebogen und Befragungen als wichtige Instrumente aus dem gewerkschaftlichen Werkzeugkasten statt.