Jugend

    Bezahlbarer Wohnraum muss her

    17.05.2023
    Jugend
    © Charles Yunck
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    Die ver.di-Jugend hat sich klar positioniert: „Bezahlbarer Wohnraum für Auszubildende“ lautete ihr Antrag auf der ver.di-Bundesfachbereichskonferenz. Die Delegierten stimmten zu und leiteten ihn an den ver.di-Bundeskongress, der das höchste Gremium der Gewerkschaft ist, weiter. Im Herbst tagt der ver.di-Bundeskongress, dort wird dann entschieden, ob die gesamte Gewerkschaft sich hinter diese Forderung stellt. 

    Von Silke Leuckfeld 

    Vom 17. bis 23. September 2023 tagt in Berlin der 6. ordentliche ver.di-Bundeskongress. Alle vier Jahre kommen rund 1000 ver.di-Mitglieder aus ganz Deutschland zu diesem Kongress zusammen. In ihren Unterlagen werden sich rund 1000 Anträge befinden, über die sie beraten und entscheiden sollen. Mit dabei ist der Antrag der ver.di-Jugend zu bezahlbarem Wohnraum und er ist sicherlich einer der Wichtigsten. Der Antragstext lautet: „ver.di setzt sich dafür ein, dass Arbeitgeber sich verstärkt an den Mietkosten ihrer Auszubildenden, dual Studierenden sowie Beamtenanwärterinnen und -anwärter  (Nachwuchskräfte) beteiligen. Zusätzlich sollen Arbeitgeber mehr Werkswohnungen für Nachwuchskräfte schaffen.“ 

    Geld von der Telekom

    Bisher sind dazu nur wenige Unternehmen bereit. Werkswohnungen für Auszubildende und dual Studierende gibt es auch bei der Deutschen Telekom nicht. Aber ver.di hat mit dem Konzern eine Vereinbarung zur Unterhaltsbeihilfe abgeschlossen, die im vergangenen Jahr auf 300 Euro monatlich erhöht wurde. Die Unterhaltsbeihilfe wird gewährt, wenn die einfache Entfernung/Fahrtzeit zwischen Haustür der Eltern des Auszubildenden und Haustür der Ausbildungs­stätte, inklusive aller Warte- und Umsteigezeiten (sowie Fußwegen), mit öffent­lichen Verkehrsmitteln mehr als 90 Minuten beträgt. Für dual Studierende ist die Fahrtzeit zwischen Wohnort und Studienort maßgeblich). Alle antragsberechtigten Auszubildenden und dual Studierenden erhalten die Unterhaltsbeihilfe ab dem Monat, in dem der Antrag beim Zentralen Ausbildungsmanagement eingegangen ist. Tipp: ver.di empfiehlt, die Berechnung der Fahrtzeit mithilfe des Online-Portals der Deutschen Bahn („Adresse zu Adresse“-Suche) vorzunehmen und einen Ausdruck an den Antrag anzuhängen.

    Dieser zwischen ver.di und der Deutschen Telekom vereinbarte Zuschuss ist einmalig in der IKT-Branche. 

    Politik aufgewacht?

    Noch während der Antrag der ver.di-Jugend im Fachbereich beraten wurde, verkündete Klara Geywitz (SPD), Bundes­ministerin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, ihr Programm „Bezahlbarer Wohnraum für junge Menschen: Sonderprogramm Junges Wohnen gestartet!“. Noch in diesem Jahr will sie 500 Millionen Euro für neue Wohnheimplätze für Studierende und Auszubildende und zusätzlich weitere zwei Milliarden Euro für den sozialen Wohnungsbau ausgeben. „Zum ersten Mal gibt es im Rahmen des sozialen Wohnungsbaus ein Förderprogramm nur für junge Menschen in Ausbildung. Sie sollen sich vor allem auf ihre Ausbildung konzentrieren und nicht wochen- oder gar monatelang auf Wohnungssuche sein“, sagte die ­Ministerin. „Mit einer halben Milliarde Euro können die Länder jetzt Wohnheimplätze neu- oder umbauen, um junge Menschen in die Region zu holen oder zu halten.“ Damit würde der Standort Deutschland insgesamt attraktiv für junges Knowhow, aber auch die einzelnen Regionen würden erheblich profitieren. „Wer einmal da ist, bleibt vielleicht. Wie gut man Wohnraum findet, den sich ­jeder leisten kann, ist dabei ein entscheidender Faktor“, meinte Klara Geywitz.  „Mit diesem gezielten Fokus auf Junges Wohnen werden wir sicher schnell Erfolge erzielen.“

    Schnelle Erfolge?

    Ob das Wohnungsbauprogramm der Bundesregierung so schnell neuen Wohnraum für Auszubildende und Studierende schaffen kann, wie Wohnungen aktuell benötigt werden, ist zweifelhaft. Bundesweit fehlen in diesem Jahr rund 700 000 Wohnungen. Dies hat eine Studie errechnet, die vom Bündnis „Soziales Wohnen“ in Auftrag gegeben wurde. Zu dem Bündnis haben sich der Mieterbund, die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) und weitere Verbände zusammengeschlossen. 

    Die Bundesregierung will jedes Jahr 400 000 neue Wohnungen bauen, davon 100 000 Sozialwohnungen. Dass dies umsetzbar ist, wird von Expert:innen angesichts explodierender Bau- und Grundstückskosten bezweifelt. Ernüchtert ist auch Bundesbauministerin Klara Gey­witz, die gegenüber dem Portal „Web.de News“ sagte: „Ich gehe nicht davon aus, dass die Zahl von 400 000 Wohnungen in den Jahren 2022 und 2023 erreichbar ist.“ 

     Umso wichtiger ist es, dass Auszubildende und dual Studierende nicht auch noch um den knappen Wohnraum mit anderen Wohnungssuchenden konkurrieren müssen. „Auszubildende brauchen günstigen Wohnraum, insbesondere in den Ballungsgebieten, wo die Nachfrage immer weiter steigt. Während es für Studierende längst Wohnheime gibt – wenn auch mit zu wenigen Plätzen – sind Auszubildenden-Wohnheime immer noch die Ausnahme. Deshalb begrüßen wir das Förderprogramm ,Junges Wohnen‘ des Bundes“, betonte Julia Böhnke, ver.di-Bundesjugendsekretärin: „Gerade vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels ist es wichtig, dass man jungen Menschen nicht nur gute Ausbildungsbedingungen anbietet, sondern auch bezahlbaren Wohnraum, von wo sie sowohl den Betrieb als auch die Berufsschule gut erreichen können.“

    Wie lange es allerdings dauert, bis die Wohnheimplätze des Bundesprogramms für Auszubildende und dual Studierende fertig sind, ist ungewiss. 


    Pressemitteilung des Bundesministeriums zum Start des Programms „Junges Wohnen“:

    https://kurzelinks.de/lu9r

     

    Berufsausbildungsbeihilfe

    Wenn du während deiner Ausbildung in einer eigenen Wohnung lebst, reicht deine Ausbildungsvergütung vielleicht nicht aus, um neben der Miete auch noch Lebensmittel oder die Fahrten nach Hause zu bezahlen. Die Agentur für Arbeit kann dir in bestimmten Fällen weiterhelfen:

    Mit der sogenannten Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) unterstützt sie dich während deiner Ausbildung mit einem monatlichen Zuschuss.

    Weitere Infos und den Antrag findest Du hier: https://kurzelinks.de/i75e

    Tipps von der ver.di-Jugend, auch zum staatlichen Wohngeld: https://kurzelinks.de/aomf

    Studie vom Bündnis „Soziales Wohnen“ als PDF: https://kurzelinks.de/y5v3